Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels - Haemaccel
FACHINFORMATION
1. bezeichnung des arzneimittels
Haemaccel
2. qualitative und quantitative zusammensetzung
1000 ml enthalten:
35 g Polygelin (über Harnstoffbrücken vernetzte Polypeptide aus abgebauter Gelatine aus Rinderknochen, entsprechend 6,3 g Stickstoff).
| mmol/l g/l | |
| Chlorid-Ionen Kalium-Ionen Kalzium-Ionen Natrium-Ionen | 145 5,14 5,1 0,20 6,25 0,25 145 3,33 |
In Spuren Phosphat-Ionen und Sulfat-Ionen. Ferner anionische Polypeptide bis zur Isoionie Wasser für Injektionszwecke ad 1000 ml
Chemisch-physikalische Daten:
mittleres Molekulargewicht relative Viskosität (35 °C) pH-Wert der Infusionslösung Gelierpunkt
30.000 Dalton*
1,7 – 1,8
7,3 + 0,3 unter +3 °C 293
301
1 mval/l
bei pH 7,0 – 7,6
Osmolalität mosm/kg Osmolarität mosm/l
Pufferkapazität
(Titrationsazidität):
* Ermittelt auf der Basis aktueller Analysentechnik
3. darreichungsform
Infusionslösung
4. klinische angaben
4.1 anwendungsgebiete
Haemaccel ist ein Plasmasubstitut zum Volumenersatz zur Behebung oder Vermeidung einer Kreislaufinsuffizienz durch absoluten (z.B. durch Blutung) oder relativen (z.B. durch Plasmavolumenverschiebung zwischen den Kreislaufkompartimenten) Plasma-/Blutvolumenmangel. Anwendungsgebiete sind z.B.:
– Volumenmangelschock
– Blut- und Plasmaverlust (z.B. bei Trauma, Verbrennungen, präoperative Eigenblut- oder Plasmaspende)
– Füllung der Herz-Lungen-Maschine
4.2 dosierung und art der anwendung
Dosierung
Dosierung und Infusionsgeschwindigkeit sind der individuellen Situation anzupassen und richten sich unter anderem nach den üblichen Kreislaufkriterien (z.B. Blutdruck).
Ausmaß und Dauer des Volumeneffektes hängen von der Infusionsmenge, der Infusionsgeschwindigkeit und dem bestehenden Volumendefizit ab.
Für gesunde Erwachsene gelten die folgenden Richtwerte: Bei Blut- oder Plasmaverlust Schockprophylaxe 500 – 1500 ml
Volumenmangelschock bis zu 2000 ml im Notfall Volumen nach Bedarf
Als Orientierungswert gilt der Blutdruck.
Werden durch entsprechende Substitution die wesentlichen Blutbestandteile oberhalb ihres kritischen Verdünnungslimits gehalten, und wird eine Hypervolämie oder Hyperhydratation vermieden, so können die oben genannten Richtwerte überschritten werden.
Spätestens bei Unterschreiten eines Hämatokrits von 25 Vol.% muss in der Regel eine Erythrozytensubstitution oder die Gabe von Gerinnungsfaktoren erwogen werden.
Bei Säuglingen, Kleinkindern und alten Patienten ist zu beachten, dass unzureichende Proteinreserven bestehen.
Art der Anwendung
Haemaccel ist gebrauchsfertig und wird intravenös infundiert. Geschwindigkeit und Dauer der Infusion richten sich nach den individuellen Erfordernissen.
Die Tropfenzahl kann nach folgender Formel berechnet werden: z.B.: 500 ml sollen in 1 Stunde infundiert werden:
500 [ml]/(4 × 1 [h]) = 125 [Tropfen/min]
In Notfallsituationen sind Schnellinfusionen (z.B. 500 ml in 5 bis 15 min) mit Haemaccel möglich.
Das Behältnis enthält aus technischen Gründen ein Restluftvolumen. Druckinfusionen mit der PlastikInfusionsflasche dürfen daher nur unter kontrollierten Bedingungen erfolgen, da sonst die Gefahr einer Luftembolie besteht (s. auch unter 4.8 „Nebenwirkungen“). Vor einer Druckinfusion ist die Luft zu entfernen.
Durch Histaminliberation ausgelöste Reaktionen können durch den prophylaktischen Einsatz von H1-und H2-Rezeptor-Antagonisten vermieden werden (z.B. Dimetinden 0,1 mg/kg KG i.v. und Cimetidin 5 mg/kg KG i.v.).
Haemaccel sollte wie alle Infusionslösungen aus physiologischen Gründen nicht kalt infundiert werden.
Nur klare Lösungen infundieren.
4.3 gegenanzeigen
Bekannte Überempfindlichkeiten gegen die Bestandteile des Präparates.
Bestehende anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen.
4.4 besondere warnhinweise und vorsichtsmaßnahmen für die anwendung
bei allen Zuständen, in denen eine Vermehrung des intravasalen Volumens sowie deren Folgen (Schlagvolumenzunahme, Blutdruckanstieg), eine Vermehrung des interstitiellen Flüssigkeitsvolumens oder eine Verdünnung der Blutbestandteile eine besondere Gefährdung des Patienten bedeuten können, wie z.B. bei dekompensierter Herzinsuffizienz, Hypertonie, Ösophagusvarizen, Lungenödem, hämorrhagischer Diathese, renaler und postrenaler Anurie, Hypernatriämie, Hyperchlorämie, Hyperkaliämie, Erkrankungen, die eine restriktive Natriumaufnahme gebieten.
Dieses Arzneimittel enthält ungefähr 72,5 mmol (1667,5 mg) Natrium in jeder 500 ml Durchstechflasche, entsprechend 83,4 % der von der WHO für einen Erwachsenen empfohlenen maximalen täglichen Natriumaufnahme mit der Nahrung von 2 g. Haemaccel ist reich an Natrium. Dies ist zu berücksichtigen bei Personen unter Natrium kontrollierter (natriumarmer/kochsalzarmer) Diät.
Infolge des erhöhten Kalzium-Gehaltes von Haemaccel kann es – insbesondere bei schneller Infusion großer Mengen – zu einem vorübergehenden und leichten Anstieg der Serum-Kalzium-Konzentration kommen. Fälle mit klinischen Zeichen einer Hyperkalzämie durch Infusion von Haemaccel sind bislang nicht bekannt geworden.
4.5 wechselwirkungen mit anderen arzneimitteln und sonstige wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Anwendung von Herzglykosiden ist der synergistische Effekt des Kalziums zu beachten.
4.6 fertilität, schwangerschaft und stillzeit
Obwohl bisher keine negativen Effekte von Haemaccel auf Embryo oder Fetus sowie das Wachstum von Uterus oder Plazenta beobachtet wurden, sollte die Anwendung in der Schwangerschaft wegen
des nicht auszuschließenden Risikos einer anaphylaktischen/anaphylaktoiden Reaktion nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
4.7 auswirkungen auf die verkehrstüchtigkeit und die fähigkeit zum bedienen von maschinen
Nicht zutreffend.
4.8 nebenwirkungen
Unter oder nach Infusion von Plasmaersatzmitteln können gelegentlich flüchtige urtikarielle Hautreaktionen (Nesselsucht, Quaddeln), Hypotension, Tachykardie, Bradykardie, Übelkeit/Erbrechen, Dyspnoe, Temperaturanstieg und/oder Schüttelfrost auftreten.
In seltenen Fällen werden schwere Überempfindlichkeitsreaktionen bis zum Schock beobachtet. Therapeutische Maßnahmen richten sich nach Art und Schweregrad der Nebenwirkung.
Bei Auftreten von Nebenwirkungen sollte die Anwendung des Präparates sofort unterbrochen werden (siehe Punkt 12).
Als pathophysiologische Grundlage anaphylaktoider Nebenwirkungen von Haemaccel konnte eine Histaminliberierung nachgewiesen werden.
Histaminbedingte Reaktionen können durch schnelle Infusion begünstigt werden.
Außerdem können die oben beschriebenen Reaktionen als Summationseffekte mehrerer histaminliberierender Pharmaka (z.B. Anästhetika, Muskelrelaxantien, Analgetika, Ganglienblocker und Anticholinergika) auftreten.
Unter der Druckinfusion sind in sehr seltenen Fällen Luftembolien berichtet worden.
Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Abt. Pharmakovigilanz, Kurt-Georg-Kiesinger Allee 3, D-53175 Bonn, Website: anzuzeigen.
4.9 überdosierung
Eine Überdosierung mit Haemaccel kann zu einer Hyperhydratation mit Kreislaufüberlastung (z.B. Lungenödem) führen. In diesem Fall muss die Infusion unverzüglich gestoppt und, wenn notwendig, müssen schnell wirksame Diuretika verabreicht werden.
5. pharmakologische eigenschaften
5.1 pharmakodynamische eigenschaften
Als Folge einer durch Anwendung von Haemaccel eintretenden Hämodilution sinkt die Viskosität des Blutes. Dies kann zu einer Verbesserung der Mikrozirkulation führen.
Ähnlich wie 5 %ige Albuminlösung ist Haemaccel kein Plasmaexpander, sondern ein
Volumensubstitut.
Haemaccel führt zu keiner substanzspezifischen Verschlechterung der Blutgerinnung oder Thrombozytenfunktion. Bei größeren Volumengaben treten verdünnungsbedingte Effekte auf das Gerinnungspotential auf. Blutgruppentests werden durch Polygelin nicht gestört.
5.2 Pharmakokinetische Eigenschaften
Der Auffülleffekt von Haemaccel erstreckt sich also nicht nur auf den Intravasalraum. Er hängt ab von der Menge und Geschwindigkeit der Infusion, vom bestehenden Volumendefizit sowie von der renalen Ausscheidung. Ein Teil der Kolloide und der Flüssigkeit von Haemaccel tritt in den extravaskulären Raum über und trägt zur Rehydratation des Interstitiums bei.
Bei intakter Nierenfunktion ist die Ausscheidung von Polygelin 48 Stunden nach Ende der Infusion in der Regel abgeschlossen.
Bei Niereninsuffizienz (z.B. bei Dialysepatienten) kann die Ausscheidung verzögert sein. Eine Intoxikationsgefahr durch Kumulation der Polypeptide besteht jedoch nicht, da diese durch körpereigene Proteasen abgebaut werden. Außerdem kann Polygelin über den Darm ausgeschieden werden.
Die Ausscheidung kleinerer Moleküle trägt zur diuresefördernden Wirkung wesentlich bei.
Wie aus histochemischen, radiochemischen und histologischen Untersuchungen hervorgeht, wird Haemaccel nicht im RES oder in den Organen gespeichert.
5.3 präklinische daten zur sicherheit
Basierend auf konventionellen Studien zur Toxizität bei einmaliger und wiederholter Verabreichung, zur lokalen Verträglichkeit, zur Mutagenität und zur Reproduktionstoxizität zeigen präklinische Daten keine spezielle Gefahr für den Menschen. In Studien zur Antigenität zeigen Meerschweinchen nach s.c. Immunisierung keine anaphylaktischen Reaktionen und Kaninchen produzierten keine Antikörper gegen Haemaccel. Allerdings wurden bei Patienten selten (0,0001%) anaphylaktoide Reaktionen beobachtet.
6. pharmazeutische angaben
6.1 liste der sonstigen bestandteile
6.2 inkompatibilitäten
Die gleichzeitige Gabe von Haemaccel und von durch Zitrat antikoaguliertem Blut über getrennte Zugänge ist möglich. Eine Rekalzifizierung infolge des Kalzium-Ionengehaltes von Haemaccel kann nur bei Mischung oder nacheinander folgenden Infusionen über denselben Zugang auftreten. Gegen eine Mischung von heparinisiertem Blut mit Haemaccel bestehen keine Bedenken.
Bei Auftreten von Unverträglichkeitsreaktionen sind die nachstehenden Sofortmaßnahmen durchzuführen:
| Klinische Symptomatik | Maßnahmen |
| Subjektive Beschwerden (Rückenschmerzen, Nausea, Flush usw.) | Unterbrechung der Infusion |
| Dyspnoe, Schockfragmente, Schock | 1. Katecholamine i.v. 2. hochdosiert Kortikosteroide i.v. 3. Volumenauffüllung (z.B. Human Albumin, Ringer-Laktat), Sauerstoff |
| Herz- oder Atemstillstand | Reanimation |
Haemaccel ist – bei Beachtung steriler Kautelen – mit den üblichen Infusionslösungen (Kochsalz-, Glukose-, Ringerlösung u.s.w.) sowie mit kreislaufaktiven Substanzen, Kortikosteroiden, Muskelrelaxantien, Barbituraten, Vitaminen, Streptokinase, Urokinase, Antibiotika der PenicillinReihe und Cefotaxim mischbar, soweit diese wasserlöslich sind.
6.3 dauer der haltbarkeit
Die Verwendbarkeitsdauer beträgt 2 Jahre.
Das Präparat darf nach Ablauf des auf Packung und Behältnis angegebenen Verfalldatums nicht mehr angewendet werden.
6.4 besondere vorsichtsmaßnahmen für die aufbewahrung
Nicht über 25 °C aufbewahren.
6.5 art und inhalt des behältnisses
3,5%ige kolloidale Infusionslösung zur Volumensubstitution
Packungen mit 20 Infusionsflaschen zu je 500 ml Lösung
6.6 besondere vorsichtsmaßnahmen für die beseitigung und sonstige hinweise zur handhabung
Der Inhalt angebrochener Infusionsflaschen ist zu verwerfen.
Gefrieren und Auftauen von Haemaccel führen nicht zu einer Veränderung der physikalischchemischen Eigenschaften.
Einmalinfusionsgeräte benutzen, um Übertragung pyrogener Substanzen zu vermeiden.
Die Infusion von Haemaccel kann eine vorübergehende Zunahme der Blutsenkungsgeschwindigkeit bewirken.
7. inhaber der zulassung
Piramal Critical Care B.V.
Rouboslaan 32 (ground floor) 2252 TR Voorschoten
Niederlande
8. zulassungsnummer(n)
6131469.00.00
9. datum der erteilung der zulassung/verlängerung der zulassung
23. November 2004/