Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels - Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten
1. bezeichnung des arzneimittels
Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten
2. qualitative und quantitative zusammensetzung
Eine Retardtablette enthält 180 mg Pyridostigminbromid.
Vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile siehe, Abschnitt 6.1.
3. darreichungsform
Retardtablette
Grau-gelb gesprenkelte, zylindrische, bikonvexe Tabletten mit der Prägung „180“ auf einer Seite und einer Bruchkerbe auf der anderen Seite, mit einer Abmessung von ca. 13,0 mm.
Die Tablette kann in gleiche Dosen geteilt werden.
4. klinische angaben
4.1 anwendungsgebiete
Pyridostigmin Hormosan wird bei Erwachsenen bei Myasthenia gravis angewendet.
4.2 dosierung und art der anwendung
Dosierung
Die Dosierung von Pyridostigminbromid muss in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung und dem Ansprechen auf die Behandlung individuell gehandhabt werden. Die Dosierungsempfehlungen können daher nur als Anhaltspunkte dienen.
Erwachsene
Die empfohlene Dosierung beträgt 180 mg – 540 mg Pyridostigminbromid zweimal täglich (entsprechend 360 mg – 1080 mg Pyridostigminbromid/Tag).
Eine geringere oder in Einzelfällen höhere Dosis kann verordnet werden.
Bei den meisten Patienten muss dann die Dosis von Pyridostigmin Hormosan an den aktuellen Bedarf angepasst werden – bei schweren Erkrankungen geschieht dies mit Hilfe geeigneter Testverfahren. Unter Umständen kann es ratsam sein, die Anpassung unter stationären Bedingungen vorzunehmen.
Zur Überbrückung eines Dosierungsintervalls, das für die Retardtablette zu kurz ist, und bei kurzfristigem Bedarf können Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten mit Pyridostigmin 60 mg Tabletten kombiniert werden.
(Beispiel: Ein Patient benötigt die letzte Tagesdosis um 22:00 Uhr für eine ungestörte Nachtruhe. Die Wirkung der während der Wachzeit (8:00 bis 22:00 Uhr) eingenommenen Retardtabletten hält bis 18:00 Uhr an. Die Zeit zwischen 18:00 und 22:00 Uhr wird mit Pyridostigmin 60 mg Tabletten überbrückt).
Umstellung von Pyridostigmin 60 mg Tabletten auf Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten wirkt nicht stärker, sondern nur länger (statt 2 bis 4 Stunden 6 bis 8 Stunden, gelegentlich auch länger).
Die Anzahl der jeweils als Einzeldosis eingenommenen Tabletten bleibt gleich, nur werden die Retardtabletten innerhalb von 24 Stunden seltener eingenommen.
(Beispiel: Ein Patient, der bisher 6-mal täglich 3 Tabletten Pyridostigmin 60 mg Wirkstoff (= 6 × 3 × 60 mg = 1080 mg pro Tag) eingenommen hat, erhält nun zweimal täglich 3 Pyridostigmin Hormosan 180 mg Retardtabletten (= 2 × 3 × 180 mg = 1080 mg pro Tag).
Besondere Personengruppen
Ältere Patienten
Es gibt keine speziellen Dosierungsempfehlungen für ältere Patienten.
Patienten mit Nierenfunktionsstörungen
Der Wirkstoff wird hauptsächlich unverändert über die Nieren ausgeschieden. Für Patienten mit Nierenfunktionsstörungen können daher niedrigere Dosierungen erforderlich sein. Die benötigte Dosis sollte deshalb je nach Wirkung individuell bestimmt werden.
Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion
Es gibt keine speziellen Dosierungsempfehlungen für Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion.
Sonstiges
Durch Infektionen oder andere belastende Faktoren kann die jeweils erforderliche Dosis Schwankungen unterworfen sein.
Thymektomie
Eine Thymektomie kann zu einer Verringerung der erforderlichen Dosis führen.
Art der Anwendung
Pyridostigmin Hormosan ist zum Einehmen bestimmt.
Die Retardtabletten sollten mit reichlich Flüssigkeit (vorzugsweise mit einem halben bis ganzem Glas Wasser) eingenommen werden.
4.3 gegenanzeigen
– Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, andere Bromide oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile
– Mechanische Verschlüsse der Verdauungs- oder Harnwege
4.4 besondere warnhinweise und vorsichtsmaßnahmen für die anwendung
Pyridostigmin Hormosan ist mit besonderer Vorsicht anzuwenden bei
– Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Bronchialasthma und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD).
Pyridostigmin Hormosan ist mit Vorsicht anzuwenden bei
– Patienten mit Arrhythmien wie Bradykardie und atrioventrikulärem Block (AV-Block). Ältere Patienten können häufiger von Rhythmusstörungen betroffen sein als junge Erwachsene.
– Myokardinfarkt, dekompensierter Herzinsuffizienz
– Hypotonie
– Vagotonie
– peptischem Ulkus
– Patienten nach Magen-Darm-Operationen
– Epilepsie
– Morbus Parkinson
– Schilddrüsenüberfunktion
– Nierenfunktionsstörungen (siehe Abschnitt 4.2)
Bei diesen Erkrankungen ist das erhöhte Risiko sorgfältig gegen den Nutzen der Behandlung abzuwägen.
Sehr hohe Dosen von Pyridostigminbromid können die Verabreichung von Atropin oder anderen Anticholinergika erfordern, um dem muskarinergen Effekt gezielt entgegenzuwirken, ohne den nikotinergen Effekt zu beeinträchtigen.
Eine Überdosierung von Pyridostigminbromid kann zu einer cholinergen Krise führen. Diese muss von der myasthenen Krise unterschieden werden, die aufgrund einer Verschlechterung der Erkrankung auftreten kann. Sowohl die cholinerge als auch die myasthene Krise können sich in einer ausgeprägten oder gesteigerten Muskelschwäche äußern. Bei einer myasthenen Krise kann eine intensivierte Behandlung mit einem Cholinesterasehemmer (z. B. Pyridostigminbromid Hormosan) erforderlich werden.
Bei einer cholinergen Krise muss die Behandlung mit Pyridostigminbromid sofort unterbrochen und geeignete unterstützende Maßnahmen einschließlich Beatmung eingeleitet werden (siehe Abschnitt 4.9).
Die HDPE-Flaschen enthalten Behältnisse mit einem Trockenmittel. Die Trocknungsmittelbehältnisse dürfen nicht geschluckt oder gegessen werden und müssen nach Anbruch in der Flasche verbleiben.
4.5 wechselwirkungen mit anderen arzneimitteln und sonstige wechselwirkungen
Immunsuppressiva
Eine gleichzeitige Behandlung mit Immunsuppressiva oder Kortikosteroiden kann die Wirkung von Pyridostigminbromid verstärken. Anfänglich kann die Gabe von Kortikosteroiden die Symptome der Myasthenia gravis verschlechtern.
Methylcellulose
Methylcellulose kann die Aufnahme von Pyridostigminbromid verhindern. Daher sollte die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die Methylcellulose enthalten, vermieden werden.
Anticholinergika
Atropin und Scopolamin antagonisieren die muskarinerge Wirkung von Pyridostigminbromid. Die durch diese Arzneimittel verringerte Darmmotilität kann die Absorption des Pyridostigminbromids beeinträchtigen.
Muskelrelaxantien
Pyridostigminbromid antagonisiert die Wirkung nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien (z. B. Pancuronium, Vecuronium).
Die blockierende Wirkung depolarisierender Muskelrelaxantien (z. B. Suxamethonium) kann durch Pyridostigminbromid verlängert werden.
Sonstige Arzneimittel
Antibiotika vom Aminoglykosid-Typ (z. B. Neomycin, Kanamycin), Lokalanästhetika und einige Allgemeinanästhetika, Antiarrhythmika und andere Substanzen, die die neuromuskuläre Übertragung stören, können die Wirkung von Pyridostigminbromid beeinflussen.
Die gleichzeitige Einnahme von Pyridostigminbromid und eine großflächige, äußerliche Anwendung von N,N-diethyl-m-toluamid (DEET) sollten vermieden werden, da Pyridostigminbromid möglicherweise die Toxizität von DEET erhöht.
Schwangerschaft
Es liegen keine hinreichenden Daten für die Anwendung von Pyridostigminbromid in der Schwangerschaft vor.
In tierexperimentellen Studien zeigte Pyridostigmin nach oraler Gabe keine teratogenen Wirkungen. Bei maternal toxischen Dosen waren jedoch Fetotoxizität und Effekte auf die Nachkommen zu beobachten (siehe Abschnitt 5.3).
Pyridostigmin passiert die Plazentaschranke. Da die Schwere der Erkrankung bei Schwangeren erheblich schwanken kann, ist hier besondere Sorgfalt geboten, um eine cholinerge Krise durch Überdosierung zu vermeiden.
Daher sollte Pyridostigmin Hormosan während der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Das Neugeborene sollte auf mögliche Auswirkungen überwacht werden.
Die intravenöse Verabreichung von Cholinesterasehemmern während der Schwangerschaft kann vorzeitigen Wehen auslösen. Das Risiko vorzeitiger Wehen besteht dabei insbesondere bei der Anwendung zum Ende der Schwangerschaft. Es ist nicht bekannt, ob bei oraler Einnahme ein Risiko für vorzeitige Wehen besteht.
Stillzeit
Pyridostigmin ist in geringen Mengen im Plasma von gestillten Neugeborenen/Kindern behandelter Frauen nachgewiesen worden. Auf Basis einer nur sehr begrenzten Anzahl von Fällen wurden keine Auswirkungen auf gestillte Neugeborene/Kinder beobachtet. Ist eine Behandlung erforderlich, sollte der Säugling auf mögliche Auswirkungen überwacht werden oder abgestillt werden.
Fertilität
Tierexperimentell zeigte sich kein Effekt auf die männliche und weibliche Fertilität (siehe Abschnitt 5.3).
4.7 auswirkungen auf die verkehrstüchtigkeit und die fähigkeit zum bedienen von maschinen
Die Einnahme von Pyridostigmin Hormosan kann zu Akkommodationsstörungen oder Verengung der Pupillen führen und die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Wird die Grunderkrankung nicht ausreichend behandelt oder treten nach einer relativen Überdosierung von Pyridostigminbromid cholinerge Wirkungen auf, kann die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt sein.
4.8 nebenwirkungen
Pyridostigmin Hormosan kann unerwünschte Auswirkungen auf die Funktion des autonomen Nervensystems haben.
Muskarinerge Nebenwirkungen können sein: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchkrämpfe, gastrointestinale Hypermotilität sowie vermehrte Bronchialsekretion, Hypersalivation, Bradykardie und Miosis.
Die primären nikotinergen Effekte sind Muskelkrämpfe, Faszikulationen und Muskelschwäche.
Bei den Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen werden folgende Kategorien zugrunde gelegt:
– Sehr häufig (≥ 1/10)
– Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10)
– Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100)
– Selten (≥ 1/10.000 bis < 1/1.000)
– Sehr selten (<1/10.000)
– Nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar)
Erkrankungen des Immunsystems
Nicht bekannt: Arzneimittelüberempfindlichkeit
Psychiatrische Erkrankungen
Beim Vorliegen hirnorganischer Veränderungen können unter der Behandlung mit Pyridostigminbromid psychopathologische Symptome bis hin zur Psychose auftreten; bereits bestehende Symptome können verstärkt werden.
Erkrankungen des Nervensystems
Nicht bekannt: Synkope
Augenerkrankungen
Nicht bekannt: Miosis, verstärkte Tränensekretion, Akkommodationsstörungen (z. B. verschwommenes Sehen)
Herzerkrankungen
Nicht bekannt: Arrhythmie (einschließlich Bradykardie, Tachykardie, AV-Block), PrinzmetalAngina
Gefäßerkrankungen
Nicht bekannt: Hitzegefühl, Hypotonie
Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums
Nicht bekannt: vermehrte Bronchialsekretion, verbunden mit einer bronchialen Obstruktion; bei Asthmatikern können Atemwegsbeschwerden auf- treten
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
Nicht bekannt: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, gastrointestinale Hypermotilität, Hypersalivation, abdominale Symptome (z. B. Unwohlsein, Schmerzen, Krämpfe)
Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes
Selten: Hautausschlag (klingt gewöhnlich nach Absetzen der Medikation ab. Es sollten keine
bromidhaltigen Arzneimittel verwendet werden.)
Nicht bekannt: Hyperhidrosis, Urtikaria
Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- und Knochenerkrankungen
Nicht bekannt: verstärkte Muskelschwäche, Faszikulation (Muskelzucken), Tremor, Muskelkrämpfe oder erniedrigter Muskeltonus
Erkrankungen der Nieren und Harnwege
Nicht bekannt: verstärkter Harndrang
Die Nebenwirkungen treten in der Regel dosisabhängig auf:
Unter der Behandlung mit Pyridostigmin Hormosan (meistens bei oralen Dosen von mehr als 150–200 mg Pyridostigminbromid/Tag) können insbesondere Schweißausbruch, Speichelfluss, Tränenfluss, vermehrte Bronchialsekretion, Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Bauchkrämpfe (durch gastrointestinale Hypermotilität), verstärkter Harndrang, Muskelzittern, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche oder Akkommodationsstörungen auftreten (siehe Abschnitt 4.9). Nach Einnahme höherer Dosen (500–600 mg Pyridostigminbromid/Tag oral) können Bradykardie sowie unerwünschte kardiovaskuläre Reaktionen und Hypotonie auftreten. Patienten mit chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) können neben erhöhter Bronchialsekretion auch Lungenobstruktion zeigen. Bei Asthmatikern können Atemwegsbeschwerden auftreten.
Die aufgeführten Nebenwirkungen können auch Zeichen einer Überdosierung bzw. einer cholinergen Krise sein. Die Ursache der Nebenwirkungen sollte daher unbedingt abgeklärt werden (siehe Abschnitt 4.9).
Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Abt. Pharmakovigilanz, Kurt-Georg-Kiesinger Allee 3, D-53175 Bonn, Website:anzuzeigen.
4.9 überdosierung
Bei einer Überdosierung von Pyridostigmin Hormosan kann es zur cholinergen Krise kommen, die eine intensivmedizinische Überwachung erforderlich macht. Wird eine solche Situation verkannt, so besteht wegen muskulärer Atmungslähmung Lebensgefahr.
Mögliche Symptome der cholinergen Krise
Muskarinerge Wirkungen
Hypersalivation, Lakrimation, Rhinorrhoe, leichtes bis starkes Schwitzen, vermehrte Bronchialsekretion, Bronchospasmus, Hautrötung, Miosis und Akkommodationsstörungen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Peristaltik und Durchfall, unwillkürliche Miktion und Defäkation mit abdominellen Krämpfen, extreme Bradykardie bis zum Herzstillstand, Blutdruckabfall bis zum Kreislaufkollaps, periodische Sinustachykardie, Lungenödem.
Nikotinerge Wirkungen
Gelegentliche Muskelkrämpfe, Faszikulationen, Adynamie, generelle Schwäche bis hin zur Lähmung, die in besonders schweren Fällen zu einer Apnoe und zerebralen Anoxie führen kann.
Als zentralnervöse Symptome können Unruhe, Verwirrtheit, verwaschene Sprache, Nervosität, Gereiztheit und visuelle Halluzinationen beobachtet werden.
Konvulsionen und Koma können auftreten.
Therapie der cholinergen Krise
– Acetylcholinesterasehemmer sofort absetzen. Medikamentenpause für 3 bis 4 Tage
– Bei erheblicher Atemdepression künstliche Beatmung
– Atropingaben (1 bis 2 mg Atropinsulfat) langsam intravenös (alle 5 bis 30 min falls erforderlich) und Dosisreduktion nach klinischen Gesichtspunkten (insbesondere der Pulsfrequenz)
– Keine Plasmatherapie
– Bei starker Verschleimung: intensive Bronchialtoilette, Flüssigkeit i. v., Sekretolytika, ggf. Broncholytika
– Vorsichtige Wiederaufnahme der Acetylcholinesterasehemmer-Therapie, z. B. Beginn mit 0,5 mg Pyridostigminbromid parenteral alle 4 bis 6 Stunden oder 4-mal 20 mg Pyridostigminbromid oral
Therapie bei Akkommodationsstörungen
Mydriatika, z. B. Tropicamid (Druckkontrolle!).
5. pharmakologische eigenschaften
5.1 pharmakodynamische eigenschaften
Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Mittel für das Nervensystem; Parasympathomimetika; Cholinesterasehemmer,
ATC-Code: N07AA02
Pyridostigmin ist ein reversibler Inhibitor der Acetylcholinesterase, also des Enzyms, das Acetylcholin metabolisiert und inaktiviert. Es erhöht damit die Konzentration des Acetylcholins am neuromuskulären Übergang der Skelettmuskulatur. Pyridostigmin passiert nicht die Blut-HirnSchranke und hat eine längere Wirkung als Neostigmin. Der Wirkungseintritt erfolgt etwas langsamer als bei Neostigmin, im Allgemeinen nach 30 bis 60 Minuten. Im Vergleich zu Neostigmin sind die muskarinerge Komponente und das Risiko entsprechender Nebenwirkungen bei Pyridostigmin schwächer ausgeprägt.
5.2 Pharmakokinetische Eigenschaften
Resorption
Bei peroraler Aufnahme wird Pyridostigmin nur zu etwa 22–25 % resorbiert. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Resorption zeigen breite inter-individuelle Unterschiede.
Bei oraler Anwendung von Pyridostigminbromid wurden bei gesunden Probanden bei täglichen Dosen von 120 mg, 120–370 mg und 180–1440 mg für die orale Bioverfügbarkeit Werte von 7,6 %, 18,9 % und 3–4 % gefunden, wobei die Cmax-Werte 40–60 μg/l, 20–100 μg/l bzw. 180 μg/l und die tmax-Werte 3–4 h, 1,5–6 h bzw. 1,5 h betrugen. Diese niedrige und stark schwankende Bioverfügbarkeit, die sich in allen Studien zeigte, wird der niedrigen Resorption von Pyridostigminbromid zugeschrieben. Bei Patienten mit Myasthenia gravis kann die Bioverfügbarkeit auf 3,3 % abfallen.
Verteilung
Pyridostigmin ist nicht an Plasmaproteine gebunden. Das Verteilungsvolumen bei intravenöser Verabreichung betrug 1,03 l/kg bis 1,43 l/kg bei gesunden Probanden, 1,76 l/kg bei Patienten mit Myasthenie und 0,53 l/kg bis 1,1 l/kg in der Chirurgie.
Die Konzentration von Pyridostigmin in der Muttermilch betrug 36–113 % des im mütterlichen Plasma gemessenen Wertes, d. h. der Säugling nimmt beim Stillen nur eine sehr geringe Dosis auf (etwa 0,1 % der von der Mutter pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommenen Dosis).
Biotransformation
Pyridostigmin wird nur zu einem geringen Anteil metabolisiert. Es wird durch Plasmacholinesterasen hydrolysiert. Der Hauptmetabolit von Pyridostigmin ist das Hydrolyseprodukt 3-Hydroxy-N-Methylpyridin.
Elimination
Die Plasma-Clearance erfolgt sehr schnell mit 0,65 l/h/kg bei gesunden Probanden, mit 0,29 bis 1,0 l/h/kg bei Patienten mit Myasthenie und mit 0,52 bis 0,98 l/h/kg bei Patienten nach operativen Eingriffen.
Intravenös verabreichtes Pyridostigmin wird hauptsächlich über die Niere ausgeschieden (zu 7590 %), und zwar als unveränderter Wirkstoff oder in Form inaktiver Metaboliten im Verhältnis von etwa 4:1. Bei oraler Gabe werden dosisabhängig insgesamt 5–15 % der verabreichten Dosis als unveränderter Wirkstoff über die Niere ausgeschieden. Dies spiegelt die niedrige orale Resorption von Pyridostigmin wider.
Nach intravenöser Verabreichung betrugen die Eliminationshalbwertszeiten bei gesunden Probanden 1,51–1,74 h, bei Myasthenie-Patienten 1,05 h und bei chirurgischen Patienten 0,38–1,86 h.
Nach oraler Gabe toxischer Dosen an Ratten stieg die Mortalität infolge akuten Lungenversagens. Schädigungen der neuromuskulären Synapsen des Zwerchfells waren histologisch nachweisbar. Die längerfristige orale Gabe an Ratten führte zur Hemmung der Plasma-Cholinesterase und der Erythrozyten-Acetylcholinesterase.
Standard in-vitro und in-vivo Tests zur genetischen Toxikologie ergaben keine Hinweise auf ein klinisch relevantes genotoxisches Potential von Pyridostigmin. Präklinische Studien zur Kanzerogenität von Pyridostigmin wurden nicht durchgeführt.
Tierexperimentelle Studien zur Reproduktionstoxizität an Ratten zeigten nach oraler Gabe von Pyridostigmin keine Effekte auf die männliche und weibliche Fertilität. In Untersuchungen zur Embryotoxizität kam es im maternal toxischen Dosisbereich zu einer erhöhten Resorptionsrate und zu Ossifikationsverzögerungen bei den Feten. In einer Peri-/Postnatal Studie war die Größe und Gewichtszunahme bei den Nachkommen behandelter Muttertiere verringert.
6. pharmazeutische angaben
6.1 liste der sonstigen bestandteile
Hochdisperses Siliciumdioxid
Carnaubawachs
Tricalciumphosphat (Ph.Eur.)
Zein
Magnesiumstearat (Ph.Eur.) [pflanzlich]
6.2 inkompatibilitäten
Nicht zutreffend.
6.3 dauer der haltbarkeit
3 Jahre
6.4 besondere vorsichtsmaßnahmen für die aufbewahrung
Für dieses Arzneimittel sind keine besonderen Lagerungsbedingungen erforderlich.
6.5 art und inhalt des behältnisses
HDPE-Flasche mit kindergesichertem Verschluss (PP) und Kieselgel-Behälter mit 100 Retardtabletten.
OPA/Al/PVC//Al-Blisterpackungen mit 20, 50 oder 100 Retardtabletten.
Es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht.
6.6 besondere vorsichtsmaßnahmen für die beseitigung
Nicht verwendetes Arzneimittel oder Abfallmaterial ist entsprechend den nationalen Anforderungen zu beseitigen.
7. inhaber der zulassung
Hormosan Pharma GmbH
Hanauer Landstraße 139–143
60314 Frankfurt am Main
8. zulassungsnummer(n)
7004566.00.00
9. datum der erteilung der zulassung/verlängerung der
ZULASSUNG
17.05.2022